Unser letzter Blog wurde noch in der Tiefebene Kolumbiens verfasst, inzwischen hat uns die  längste Gebirgskette der Welt, die scheinbar unendlichen massiven Anden, fest im Griff. Täglich machen wir äusserst schweisstreibende Höhenmeter, wieviele Meter wir bereits auf unserer Reise in die Höhe geklettert sind wissen wir leider nicht genau, einige Zehntausende sind es bis dato auf jeden Fall gewesen.

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Cynthia führt uns durch Medellin.

Wieder sind wir zahlreichen interessanten Menschen begegnet, so treffen wir Fabian aus Hamburg, welcher seit gut 5 Jahren mit seinem VW-Bus um die Welt kurvt, dank ihm hat nun auch Julians Ebook weitere 200 Bücher im Speicher. In Medellin legen wir einen entspannten Ruhetag bei Cynthia und ihrem Bruder Charles ein, wir fahren mit der berühmten Gondelbahn und haben daher eine interessante Perspektive über die Millionenstadt, wir werden in der Stadt rumgeführt, den Charme Cartagenas erreicht Medellin allerdings nicht. Oft werden wir gestoppt und müssen als Fotomodell herhalten, Kinder bestaunen unsere Räder und Männer wollen das Rohloff-System unserer TX-1000 Stahlrösser genauestens erklärt haben.

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Gondel über Medellin. Eine interessante Perspektive.

Auch mit einigen Radfahrern hatten wir das Vergnügen und wir strampelten zusammen durch tiefe Täler hinauf auf massive Bergkämme, passieren zahlreiche Pässe und genossen eine fantastische Aussicht über Berge und gigantische Schluchten. Die Landschaft ist saftig grün und die Berge mit ihren diversen Schattierungen und dem blauem Himmel im Hintergrund stellen ein umwerfendes Gesamtbild da, beinahe fühlen wir uns wie auf einer heimatlichen Alm. Die Anden werden immer massiver und von Tag

Rauf und runter. Bis auf teilweise 2800 Höhenmeter.
Rauf und runter. Bis auf teilweise 2800 Höhenmeter.

zu Tag selbstbewusster, wir steigen und fallen, geniessen traumhafte Abfahrten von bis zu 37km und fluchen leise über Anstiege der selben Länge. Ab ca. 2500m Höhe wird es recht frisch und unsere Kaipara-Merino-Kleidung kommt wieder vermehrt zum Einsatz, auch mit Regen müssen wir uns jetzt öfters auseinandersetzen, in den Bergen hängt eben das Wetter fest. In den Tälern und Flussebenen steigt dafür das Thermometer wieder auf knapp 40 Grad und die dicke Sonnencreme muss ausgepackt werden. Wir erleben eine langsame Achterbahnfahrt, von 700m rauf auf 2800m, runter auf 1100m und wieder rauf auf 2550m, runter auf 500m und wieder geht es rauf auf knapp 3000m (dies entspricht etwa der Zugspitze, immerhin Deutschlands höchster Berg) usw. usw. Falls die Beine gar nicht mehr wollen, gibt es immer noch die schleichenden LKW’s, welche sich schwerbeladen ebenfalls den Berg hoch quälen, diese eignen sich perfekt um sich einige Meter den Berg hochziehen zu lassen. Was kolumbianische Strassenkinder können, können wir schon lange (vom nachahmen wir allerdings dringend abgeraten)!

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Milchtransporter in Kolumbien.
4kg Spareribs zum Mittagessen.
4kg Spareribs zum Mittagessen.

Die tägliche Raubtierfütterung ist jedesmal ein Festessen, neben Reis, Bohnen, gebratenen Bananen und köstlichem Fleisch kommen auch delikate Nachspeisen und Delikatessen wie 4kg Spareribs auf den Tisch, ein Hoch auf die Küche Kolumbiens. Mit 1,50€ für ein üppiges Frühstück, 1,80€ für ein massives Mittags- bzw. Abendessen müssen sich die Preise nicht verstecken und wir sind wieder bereit und ausreichend gestärkt für den nächsten Anstieg. Der Highway 25, die Panamericana, führt uns zielstrebig in Richtung Ecuador, nur selten verlassen wir den gut ausgebauten Highway und fahren auf Nebenstrassen weiter (Highway 29 und 50). Momentan ist unser Schlagzahl etwas höher wie sonst, aber am 7. April müssen wir in Guayaquil im Süden Ecuadors sein um unseren Flug auf die Galapagos-Inseln zu erwischen. Allgemein ist es nicht schlecht auf so einer langen Reise sich kleinere Etappenziele zu setzten, hat man nur die Gesamtkilometer bzw. das Endziel, bei uns Rio im August 2016, im Kopf kann das einen mürbe machen, da man kaum Fortschritte sieht. Mit unserem Kuba Urlaub, dem Segeltrip nach Kolumbien und dem Flug auf die Galapagos-Inseln haben wir uns immer schöne und reizvolle Etappenziele gesetzt, dieses Konzept ging bislang gut auf. Klar, manchmal scheinen auch diese Etappenziele unerreichbar, wochenlang, tausende Kilometer weit strampeln wir drauf hin, Meter für Meter und plötzlich hat man es aus eigener Muskelkraft erreicht. Ein tolles, unbeschreibliches Glücksgefühl.

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Ein Hartes Leben in den Bergen.

Auf der Suche nach Übernachtungsmöglichkeiten landen wir immer öfters in diversen Stundenhotels, dies sind günstig und, gerade in den abgelegeneren Gebieten, zahlreicher wie „normale“ Hotels zu finden. Das horizontale Gewerbe ist in Kolumbien quasi an jeder Strassenecke anzufinden und gesellschaftlich akzeptiert, selbst die Polizei versucht uns an die Damen „zu vermitteln“, wir lehnen jedoch artig ab. Die kolumbianischen Männer müssen einen enormen Liebesbedarf haben, jedenfalls stehen sich am Strassenrand zig tausend Damen die Füsse platt und warten auf eine liebeshungrigen Trucker, welcher eines der besagten Stundenhotels anfährt.

Medellin. Wir werden herzlichst empfangen..
Medellin. Wir werden herzlichst empfangen..

Vor Kolumbien wurden wir gewarnt und es wurden uns Horrorgeschichten über Land und Leute erzählt. Jetzt stehen wir vor den Toren Ecuadors und haben tausende Kilometer in Kolumbien abgefahren, von Gewalt und Verbrechen keine Spur. Nico’s uns Sandro’s Schuhe wurden zwar „entwendet“ aber diese wurde 11 Monate abgearbeitet und fallen nicht wirklich unter heimtückischen Diebstahl, oder? Im Gegenteil, wir werden weiter angefeuert, bekommen Wasser und Früchte gereicht und nette, interessierte Gesprächspartner gibt es wie Sand am Meer. Klar kann man zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort sein und Gelegenheit macht Diebe, aber wo auf dieser Welt ist dies nicht der Fall? Gerade die jeweiligen Nachbarländer halten oft wenig von den Menschen auf der anderen Seite der Grenze. Die Engländer mögen die Schotten nicht, in Guatemala wird schlecht über El Salvador gesprochen, Nicaragua spottet über Honduras etc. etc. Und die Amerikaner? Die warnen vor jedem Land, jeder Kultur und jeder Religion, ein ängstlicheres Land, ein Land mit mehr Vorurteilen und Feindbildern, wie die USA, das selbsternannte Land der „grossen Freiheit“, haben wir bislang nicht kennengelernt. Ein Präsidentschaftskandidat wie Donald Trump mit seinem peinlichen Parolen ist das erschreckende Resultat dieser Angst und der bestehenden Vorurteile, andererseits sind wir mit den Wahlergebnissen der AfD (März 2016) in Deutschland nicht auf dem selben Holzweg? Jeder der mal eine solche Reise unternommen hat wird sich von solchen rechtspopulistischen Parteien fernhaften, egal auf welcher Seite des grossen Teiches, egal wo auf der Welt. Die Menschheit ist gut, unser Planet ist voller Wunder und atemberaubenden Plätzen. Ein paar Hans Wurscht’s wollen uns allerdings leider vom Gegenteil überzeugen, da hilft nur die fehlgeleiteten Idioten zu ignorieren und seine Stimme sinnvoll vergeben um nicht in deren braunes Fahrwasser zu geraten.

Eammon und Michel radeln 40km mit uns mit.
Eammon und Michel radeln 40km mit uns mit.

In Cali, der Hauptstadt der Salsatänzer, lassen wir uns nochmals die Berge aus den Beinen massieren und bewundern das, sich stündlich wechselnde, Strassenbild dieser Stadt. Nach Cali erwarten uns die Berge zurück, Sonne und Regen wechseln sich ab und wir kommen dadurch in den “Genuss” wie durch eine Dampfgrotte radeln zu dürfen. Mit den Radlern Eammon aus Irland, Michel aus Kanada und Nelson aus Kolumbien haben wir einen tollen Tag auf den Bikes und besichtigen zusammen Popayan. Popayan hat komplett in weissgestrichene historische Altstadt und war u.a. Wohnsitz des ersten Präsidenten Kolumbiens. Mittlerweile stehen am Strassenrand tausende, schwer bewaffnete Soldaten, die gepanzerten Einsatzfahrzeuge erinnern an Kriegsschauplätze. Wir sprechen mit den Militärs und uns wird geraten vor allem die Nacht zu meiden, wie schon erwähnt eine 100%tige Sicherheit gibt es eben nie. Wir wollen gar nicht wissen was in den zahlreichen LKW’s alles von A nach B transportiert wird, ganz umsonst ist das Militär und Polizei Aufgebot mit Sicherheit auch nicht vor Ort, wir werden jedenfalls immer fröhlich durch jede Kontrolle gelotst. Auch die Kolumbianer sind recht gläubige Menschen, gerade in der Osterzeit sind die Kirchen gefüllt und wir sind bereits einigen Pilgern begegnet und Ostermärsche ziehen sich durch die Dörfer. Vielleicht vertrauen die Autofahrer zu sehr auf Gott, wieder stehen zahlreiche Kreuze am Strassenrand. Nur auf Gottesgnade zu hoffen ist auch nicht der richtige Weg, Einsicht und Rücksicht im Strassenverkehr sollte schon auch sein, teilweise werden wir Zeugen von recht waghalsigen Verkehrsteilnehmern.

Schlafen, essen, radeln, essen, radeln, essen und wieder in die Falle, so sehen unsere Tage im Moment auf, da es aber täglich Neues zu sehen gibt und wir immer ins Ungewisse radeln, kommt nie Langeweile oder Routine auf, es bleibt spannend und abwechslungsreich. Inzwischen haben wir die 19.000km voll gemacht und uns daher einen Ruhetag im Städtchen Pasto auf knapp 2900m Höhe verdient. Pasto ist ein nettes Bergstädtchen, leider haben am Gründonnerstag alle Geschäfte geschlossen und die Altstadt ist verwaist, so bleibt immerhin mehr Zeit zum entspannen. In unserer beliebten Plattfußstatistik gibt es keine grossen Veränderungen, Julian führt mit 21 Löchern und trägt sein Schicksal inzwischen mit Galgenhumor, Nico folgt auf Platz 2 (14) und Sandro liegt glücklich hinten auf Platz 3 (13).

Mal schauen wie grosszügig der DFB (Deutsche Fussballbund) sich zeigt, wir haben jedenfalls mal eine nette Email an die Damen und Herren gesendet, mit der Hoffnung auf Tickets für das Olympische Fussballturnier von Rio de Janeiro.

Unser nächster Bericht sollte bereits aus Ecuador kommen, wir wünschen euch Frohe Ostern und entspannte, sonnige Feiertage egal wo auf dieser Erde.

Viel Spaß beim Ostereier suchen!!!

Beste Grüße aus Pasto in den massiven Bergen Kolumbiens.

Euer Trio for Rio.

Julian, Nico und Sandro.

Mehr Bilder gibt es in unserer Galerie!