Wir packen also unsere restlichen 7 Sachen in Rio und verabschieden uns vom Zuckerhut und damit auch von Südamerika. Nur wenige Stunden später landen wir sicher und entspannt in Lissabon, mit dem Flugzeug dauert eine Reise nach/von Südamerika also nur wenige Stunden bis aufs europäische Festland. Per Rad ist die Anreise eettwwaasssss länger und man muss über 28.400 Kilometer strampeln und gute 1555 Stunden im Sattel sitzen, dafür ist die Variante mit dem Fahrrad schöner und vor allem abenteuerlicher und jeden Aufwand wert. Als die Räder auch noch sicher auf dem Gepäckband in Lisboa auftauchen ist die Welt in Ordnung und Europa hat uns wieder. Portugal ist unser Reiseland Nr.25 und Anfangsstation für unsere letzte Etappe in Richtung Heimat. Die nächsten Wochen stehen mit Spanien, Frankreich und der Schweiz noch weitere tolle Länder und Wege auf unserer Liste, wir freuen uns.

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Überraschung. Eltern und Bruder zu Besuch in Lissabon-

Die halbe Familie erwartet uns in der historischen Altstadt von Lissabon, mit Bruder und Eltern machen wir 4 Tage lang die historische Hafenstadt unsicher. In den Gassen der Altstadt sitzen unzählige Menschen in kleinen Gruppen zusammen und geniessen ihr Feierabendbier, Straßenmusiker spielen an idyllischen Plätzen und viele charmante Bars locken zum gemütlichen Beisammensein. Lissabon ist eine echte Perle und begeistert mit einem tollen, gemütlichen aber edlen Flair. Wir geniessen europäisches Essen bei angenehmer, lässiger Atmosphäre und lauen Sommernächten. Gefühlt laufen wir alle Straßen Lissabons ab, aber auch nach 4 Tagen gibt es immer noch jede Menge Ecken und Sehenswürdigkeiten zu entdecken. Natürlich darf eine Fahrt in der weltberühmten Strassenbahn der Stadt nicht fehlen, diese schlängelt sich, wie ein Wurm, durch die enge City. Zusammen machten wir uns auf nach Sintra, unweit der kleinen Stadt finden wir den westlichsten Punkt Europas und geniessen einen herrlichen Ausblick über den, zum baden doch sehr kühlen Atlantik.

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Cabo da Roca. Der westlichste Punkt Europas.
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Mit dem Fahrrad durch Europa.

An Tag 490 unserer Reise machen wir die Räder wieder startklar, schrauben, ölen und packen, nur wenige Stunden später hat uns die Straße wieder. Es dauert bis wir das Stadtgebiet Lissabons endgültig hinter uns haben und die Silhouette der Stadt nur noch am Horizont zu erkennen ist. Hola Portugal, du bist ganz schön hügelig und lässt uns mit deinen unendlichen Bergen, viel Gegenwind und Sonne satt ganz schön schwitzen. Der Highway M8 führt parallel zur Autobahn und ist unsere neue Heimat, die Landschaft erinnert an die italienische Toskana, die schattigen Pinienwälder locken regelmäßig zu einer längeren Siesta. Überall in Portugal finden wir tolle wilde Zeltplätze und wir geniessen die langen Tage. In Südamerika war in der Regel gegen 18 Uhr Sonnenuntergang, hier können wir bis 18 Uhr radeln, da sich die Sonne nicht vor 20.30h verabschiedet, sehr fahrradfreundlich.

Portugal zeigt uns wie schön unser Heimatkontinent Europa ist. Man muss nicht um die halbe Welt reisen, Europa hat unheimlich viele schöne Facetten. Trotzdem sind wir froh soweit gereist zu sein, unser Horizont hat an Tiefe gewonnen und viele Dinge in der heimatlichen Komfortzone, welche für uns einfach selbstverständlich geworden sind, lernt man ganz anders zu schätzen. In Punkto Schönheit und Geschichte braucht sich Portugal und ganz Europa sicher nicht verstecken. Es ist schön wieder durch Europa zu rollen, nicht nur die Verkehrsschilder und die Infrastruktur sind, dank EU-Norm, vertraut. Das Sortiment der Supermärkte lockt verführerisch, gerade bei Wurstwaren und Käse scheinen wir in den letzten Monaten mangelernährt gewesen zu sein und die Delikatessen springen uns regelrecht an.

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Zelten am Atlantik. Freiheit pur.

Nachts liegen wir im Gebüsch oder in duftenden Kiefernwäldern, Hasen und Füchse rascheln durchs Unterholz, in der Ferne glitzert  beim Sonnenuntergang und 10 Stunden später beim Aufgang der Sonne der gigantische Atlantik, die Menschen sind hilfsbereit und die Autofahrer sehr respektvoll im Umgang mit Radlern und eine leckere Brotzeit findet sich ebenfalls immer, Portugal du gefällst.

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Nico mit der Altstadtkulisse Portos im Hintergrund.

Mit Porto durchfahren wir eine weitere tolle Stadt, gerade der historische Hafen und die schöne Altstadt hat uns sehr gut gefallen und es wird hoffentlich nicht unser letzter Besuch gewesen sein. Ab Porto folgen wir einem gelben Pfeil und einer Jakobsmuschel eine sicheres Zeichen, wir befinden uns auf dem portugiesischen Jakobsweg, dem „Portuguese Coastal Way“. Wir begegnen Pilgern aus aller Welt, per Rad oder zu Fuss viele Menschen machen sich auf um die berühmte spanische Pilgerstadt von Santiago de Compostela zu erreichen. Ein sehr angenehmer Schlag Mensch sind die symphatischen bunten Pilger, wir bekommen viele Geschichten erzählt und müssen nicht nur immer unsere Geschichte wiedergeben, sondern dürfen auch mal in Ruhe zuhören.

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Hola Espana. Willkommen in Galizien.

Mit Plattfuß Nr. 32 verabschiedet sich Julian von Portugal und wir überqueren wenig später den Grenzfluss „Rio Minho“ und begrüßen Spanien unser inzwischen 26. Land. Mit 24.61€ p.P./Tag war Portugal recht teuer, aber die 4 Tage in Lissabon und unser Heißhunger auf gutes portugiesisches und europäisches Essen schlugen stark zu Buche und auch auf die Figur.

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Wir folgen dem Jakobsweg nach Santiago.

Der Küsten-Jakobsweg ist traumhaft schön, da verkraftet man auch die zahlreichen Hügel und die zunehmend selbstbewusstere Sonne, welche eine enorme Power an den Tag legt. Die Tage sind heiss, die Nächte dagegen überraschend kühl und vor allem feucht. Am morgen müssen wir, dank Luftfeuchtigkeit und Nebel, unser Equipment oft nass und klamm einpacken, die ersten Stunden sind daher oft eher sehr zäh. Spanien ist definitiv eine Rennrad-Hochburg, jeden Tag sausen unzählige freundliche Sportler auf ihren ultraleichten Bikes an uns vorbei. Die Jungs sind zwar wesentlich schneller als wir, aber über unsere inzwischen 29.000 Kilometer staunen dennoch alle und wollen mehr Infos über unsere Tour und ein Erinnerungsfoto von den „loco Alemanes“!

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Immer der Muschel nach. Nur noch wenige Kilometer.

Die Räder sind, nach kleineren Wartungsarbeiten, wieder voll in der Spur und spulen ihre täglichen Kilometer ohne Probleme runter, wahrscheinlich freuen diese sich auch auf einen Ruhetag in Santiago de Compostela. Der Pilgerort rückt jedenfalls Stück für Stück näher, falls wir nicht gerade in nervigen Stadtgebieten festhängen geniessen wir die duftende Natur. Sommerwiesen, Berghänge mit diversen Kräutern, Kiefernwälder und exotische Pflanzen lösen eine wahre Geruchsexplosion aus. Der Jakobsweg führt uns jetzt im zickzack Kurs, das Kopfsteinpflaster nervt und wir wechseln hier und da auf die einfachere Schnellstraße. Es zieht sich. Doch als wir vor der Kathedrale von Santiago de Compostela stehen und einfach nur den Moment geniessen, sind alle Strapazen vergessen und Ruhe und Entspannung setzt ein.

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Santiago de Compostela.

Wir finden eine günstige Unterkunft in einer der zahlreichen Gassen, lassen uns durch die Stadt treiben, bewundern die gigantischen Bauwerke der Pilgerstadt, bestaunen die herrliche Kathedrale und kommen einfach mit Menschen aus aller Welt in Kontakt. Die Pilgerurkunde bekommen wir ausgehändigt und wir bringen unseren Blog auf den neuesten Stand, finden aber auch Zeit zum entspannen.

Die Basler-Zeitung hat einen lesenswerten Artikel über uns geschrieben, wer war schonmal mit Usain Bolt auf einer Seite zum Thema Olympia? Keiner? Wir jetzt schon, hier geht es zum Link: Basler Zeitung, 20. August 2016

Ja, ansonsten schreiben wir fleißig Emails um eventuellen Sponsoren für unser Filmprojekt zu finden. Langsam aber sicher wird das ganze Unterfangen konkreter und wir sind zuversichtlich in einigen Wochen ein Crowfunding-Trailer präsentieren zu können. Es bleibt aber, wie immer, spannend.

Den nächsten Bericht sollte es aus bereits aus Frankreich geben mal schauen was bei unserem zweiten Besuch der „Grande Nation“ alles passiert. Vorher freuen wir uns aber noch auf die spanische „Costa Verde“ bzw. auf die „Biskaya-Küste“, auch hier führt, diesmal der spanische, Jakobsweg entlang. Der „Camino de Norte“ soll sehr reizvoll aber auch sehr anstrengend sein, schau mer mal was kommt und wer uns so über den Weg spaziert.

Danke fürs lesen und einen schöne Zeit, wir wünschen einen „Buen Camino“, egal wohin der Weg auch geht bei Euch.

Mit sportlichen Grüßen aus Santiago,

Julian und Nico

Weitere Bilder gibt es in unserer Galerie.